Stadtgespräch


Stadtgespräch: Mehr «Farbe bekennen»

Fares Al-Ghabra hat eigentlich Pause. Dennoch ist der 16-jährige Schülersprecher der Gustav-Heinemann-Gesamtschule Alsdorf gerne bereit, am Vorgespräch zum 4. Alsdorfer Stadtgespräch teilzunehmen, das am 8. Juni in der Stadthalle stattfindet.
fares.jpgMag es für manchen «Deutschen» Hoengener schwer sein, sich als Alsdorfer zu fühlen und umgekehrt, hat Fares mit seinen Wurzeln und seinem Leben offenbar keine Probleme. Der Vater stammt aus dem Libanon, seine Mutter ist Deutsche, er wohnt in Hoengen und geht in Alsdorf «Am Klött» zur Schule.

Na und? Wo ist das Problem? Gerne hätte er beim Stadtgespräch zum Thema «Farbe bekennen – Integration durch Bildung in Alsdorf» mit diskutiert, aber zu dem Zeitpunkt wird er sich mit 27 weiteren Schülern im türkischen Dalaman aufhalten. Seit gut einem Jahr pflegt die Gesamtschule im Rahmen des europäischen Comenius-Projekts eine Partnerschaft mit der türkischen Schule Anadolu Lisesi in Dalaman. Ein großer Schüleraustausch ist im Juni geplant. Im April war eine Delegation aus der Türkei in Alsdorf zu Gast. Bei solchen Aktionen handelt es sich keineswegs um Urlaubsreisen. Ganz im Gegenteil, ein umfangreiches Arbeitsprogramm wartet auf die Schüler, sagt Schulleiter Volker Klüppel.

Rund 30 Prozent der 1250 Schüler verfügen über einen Migrationshintergrund, ist also mindestens ein Elternteil Ausländer, sagt Didaktischer Leiter Martin May. Das führt zu speziellen Konzepten und Unterricht, betont er. Gelebte Integration machen dabei Lehrer vor. Unter den rund 100 fest angestellten Lehrern plus zehn Referendare wächst die Zahl derer mit Migrationshintergrund. Eine ehemalige Schülerin, eine Türkin, unterrichtet Deutsch und Textilgestaltung. Ein türkischer Kollege, der «gelernter» Bergbauingenieur ist, unterrichtet mittlerweile Mathematik und Technik und ist mit einer deutschen Lehrerin verheiratet, berichtet Schulleiter Klüppel. «Unseren Schülern wird so gezeigt, Du kannst studieren und eine gute Stellung in unserer Gesellschaft einnehmen», sagt er.

Um die interkulturelle und intersoziale Arbeit und Integration an der Alsdorfer Gesamtschule nachhaltig zu fördern und weiterzuentwickeln, werden gerne Förderprogramme und -konzepte genutzt, etwa das Bundesprojekt «Ikus», was für «Interkulturelles Lernumfeld Schule» steht. Möglich für Schüler ist es, sich für ein Stipendium bei der Hertie-Stiftung zu bewerben, um Nachteile durch das Elternhaus auszugleichen und gefördert zu werden. Wer aufgenommen wird, der bekommt ein Laptop nebst Drucker und monatliches Bildungsgeld, wird in Seminaren geschult. «Regelmäßig spricht unser SV-Lehrer Schüler an, sich zu bewerben», berichtet Klüppel.

Vor- und Gegenleistung für Förderung werden erwartet: soziales Engagement. Das gilt etwa für die Unterstützung durch die Roland-Berger-Stiftung. Eine von Schülern der Gesamtschule für Mitschüler organisierte und von Lehrern unterstützte Hausaufgabenhilfe erfüllt dieses Kriterium. Ein weiteres Beispiel ist «QuiS», was für Qualität an sprachheterogenen Schulen steht. Dies beinhaltet Sprach- und Integrationsförderung, Sprachferien, Elternkurse, eine besondere Qualifizierung für Lehrer und vieles andere mehr. 15 Nationalitäten sind an der Gesamtschule «vertreten».

Viele Schüler, ob mit oder ohne Migrationshintergrund, kommen in der fünften Klasse mit einer Haupt- oder Realschulempfehlung an die pädagogische Einrichtung. Ein Eingangstest bringt Klarheit über die Sprachkompetenz als Grundlage für Lernen, wie Didaktischer Leiter May sagt. Ergebnisabhängig folgt sprachliche Förderung in der fünften und sechsten Jahrgangsstufe. Vorhandene Kompetenzen werden zur Stärke. Da die größte Schülergruppe mit Migrationshintergrund Türken sind, wurde Türkisch als zweite Fremdsprache eingeführt. «Wenn ich meine Muttersprache nicht richtig beherrsche, dann kann ich auch nur schwer eine andere Sprache lernen», sagt Klüppel. Gerade junge türkische Familien würden großen Wert darauf legen, dass ihre Kinder zweisprachig aufwachsen.

Mehr Eltern ins Boot holen

Generell sei es jedoch schwierig, Eltern bei der Förderung ihrer Kinder mit ins Boot zu holen, räumt Klüppel ein. Aber das gelte nicht nur für Schüler mit Migrationshintergrund. Er hält das Thema Integration an seiner Schule primär gesehen für gar nicht so wichtig. Der Schulleiter meint: Integration findet zwischen Menschen statt. Die Personen und Persönlichkeiten stünden im Mittelpunkt. «Die Schüler sollen miteinander lernen und erkennen, was ist der andere für ein Typ, komme ich mit dem klar?» Solche Fragestellungen stünden im Mittelpunkt, nicht dagegen die Herkunft, sagt Klüppel.

 

Entnommen aus AN von Karl Stüber 27.05.2011.