Sie tanzen Wolle


Da rollt die Spindel in die Mitte der Tanzfläche, da fädeln sich Fäden auf, da wird die Wolle gewebt. Sie, das sind sechs Schüler der 11. Klasse der Alsdorfer Gesamtschule. wolle.jpgUnter Anleitung des Würselener Tanzlehrers Guido Kreiten machen die jungen Erwachsenen ein abstraktes Thema zu einem plastischen.

wolle.jpgDer Zuschauer erkennt das Spinnrad, das von den Schülern dargestellt wird. Erkennt den mechanischen Webstuhl. Um diesen Tanz einzustudieren, kommen die Schüler immer wieder nach Würselen und machen einen ganz anderen Unterricht. „Tanzen im Tanzstudio ist etwas ganz Besonderes. Da ist die Atmosphäre professionell. Wenn die Schüler vor dem Spiegel stehen, müssen sie sich anschauen und sich selbst akzeptieren“, weiß Guido Kreiten um den hohen Lerneffekt in seinem Studio.

Einen großen Lerneffekt erkennt auch Kunstlehrerin Hilke Buck in diesem Projekt, das die Schüler raus aus der Schule führt. „Wir wollen mit diesem Projekt einen kreativen Ansatz finden, um Schülern eine Einstiegshilfe in die Geschichte und den Strukturwandel zu geben.“ Weil sich 17-Jährige bekanntlich häufig nicht für Geschichte interessieren, müssten andere Ansätze als die theoretischen im Geschichtsunterricht gefunden werden. Der wurde mit dem Projekt über die Wollroute gefunden.

Die Ergebnisse sind jetzt in der Ausstellung des Wollmuseums in Verviers, dem „Centre Touristique de la Laine et de la Mode“, Rue de la Chapelle 30, zu bewundern.

Länderübergreifend

Die Wollroute ist ein länderübergreifendes Netzwerk, das Informationen zur Geschichte der Tuchindustrie in der Euregio Maas-Rhein vermitteln möchte. Neben der Route, der man die historischen Produktionsstandorte Aachen, Eupen, Euskirchen, Monschau, Vaals und Verviers zurechnet, gibt es die Initiative „Aachenstricktschön“ und seit Sommer das Kunstprojekt „World-wide-woll.net“ der Aachener Jugendkunstschule Bleiberger Fabrik, das Schulpartnerschaften, Workshops und Ausstellungen miteinander verbindet. „Das Projekt gründet auf der Idee, dass Orte mit Hilfe von Wolle in einer vernetzten Welt verbunden werden“, erklärt Hilke Buck. In ihrem Kunstunterricht hatte sie deshalb Alsdorf und Verviers gedanklich miteinander verbunden. „In beiden Städten habe ich zuerst die Schüler auf die Suche nach Häusern geschickt, die eine Geschichte erzählen“, sagt die Lehrerin. Diese Gebäude haben die Schüler gefunden. Es waren bürgerliche Gebäude aus der Gründerzeit, die langsam verfallen. Da hat Alsdorf mit dem Wegfall der Kohle, Verviers mit dem Wegfall der Wolle zu kämpfen.

Plötzlich sind die Schüler mittendrin im Thema Strukturwandel“, sagt Buck, die Begeisterung bei den Schülern und ein „Begreifen von Geschichte“ feststellen konnte. Sie wünscht sich, dass in 20 Jahren solche Projekte regional angelegt den allgemeinen Schüleralltag interessant gestalten.

Bis dahin muss sie sich noch mit anderen Unwägbarkeiten rumschlagen: Nämlich dass etwa die Euregiobahn- und DB-Fahrpläne bei der Fahrt nach Verviers zu eng vertaktet sind, daher viel zu wenig Zeit zum Umsteigen bleibt. Lehrerin Buck wünscht sich grenzüberschreitende Zusammenarbeit „mit mehr Puffer“.